Erfurt (dpo) - Dass sie so eine Chance noch zu Lebzeiten bekommt, hätte sie nicht gedacht: Die Historikerin Dr. Carina Maguhn aus Erfurt mit dem Spezialgebiet Neuere und Neueste Geschichte ist angesichts der Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen begeistert, dass sie nun die Gelegenheit bekommt, beobachten zu können, wie der Aufstieg des Nationalsozialismus damals begann.
"Ich befasse mich seit Jahren mit der späten Weimarer Republik und untersuche, wie das damals mit dem Dritten Reich angefangen hat", erzählt Maguhn. "Das ist sehr spannend, aber leider auch oft sehr theoretisch, weil man sich hauptsächlich auf alte Quellen und Sekundärliteratur beziehen kann. Augenzeugen gibt es ja nicht mehr viele."
Umso erfreulicher ist es für sie aus wissenschaftlicher Sicht, dass sie jetzt doch Gelegenheit erhält, den Aufstieg des Nationalsozialismus live und aus erster Hand noch einmal miterleben zu können.
"Das ist total praktisch, dass sich das jetzt alles nochmal wiederholt", so die 32-Jährige. "Da kann ich das alles ganz genau erforschen und dokumentieren. Wie verhalten sich die Menschen? Wie versucht die Politik, gegenzusteuern? Wann genau werfen die Konservativen ihre Überzeugungen über Bord, um mit den Faschisten gemeinsame Sache zu machen?"
All diesen Fragen kann sie jetzt mit eigenen Forschungen und unzähligen frischen Zeitzeugeninterviews direkt nachgehen.
"Dabei hätte ich niemals zu hoffen gewagt, dass sich so eine Gelegenheit nochmal bieten könnte", so Maguhn. "Als jemand, die sich mit der NS-Zeit beschäftigt hat, hätte ich einfach niemals gedacht, dass ausgerechnet in Deutschland die Menschen so wenig aus der Geschichte gelernt haben."
Einen Wermutstropfen gibt es dennoch: "Ich muss auch ein bisschen aufpassen, den Absprung nicht zu verpassen: Meine Oma ist gebürtige Syrerin. Ab einem bestimmten Punkt werde ich deshalb leider aus Deutschland fliehen müssen, wenn ich keine Internierung riskieren will."
Die Forschung am Nationalsozialismus während seines Höhepunkts werde sie dann wohl Kollegen mit einem arischeren Stammbaum überlassen müssen, so die Historikerin.
ssi, dan; Foto: ShutterstockMehr zu den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen:
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