Augsburg (dpo) - Das könnte Ärger geben: Ein Zugvogel, der derzeit an der Spitze einer V-Formation vermeintlich in Richtung Süden fliegt, wird allmählich immer nervöser. Das Graugans-Männchen fragt sich, wann die ihm nachfolgenden Graugänse merken, dass er nicht die blasseste Ahnung hat, ob er in die richtige Richtung fliegt.
"Oje oje oje", denkt der Grauganter. "Spinn ich oder wird das immer kälter? Geht's hier wirklich nach Afrika? Und fliege ich überhaupt halbwegs geradeaus?"
Tatsächlich hatte er gar nicht vorgehabt, schon jetzt in Richtung Süden aufzubrechen. Doch als er kürzlich nahe Augsburg nur ein Stück den Lech entlang fliegen wollte, hängten sich plötzlich 17 andere Graugänse an ihn an.
"Erst war ich total stolz, dass die mir alle vertrauen und denken, ich weiß, wo's langgeht", gesteht der Vogel. "Also bin ich einfach mal frei Schnabel losgeflogen und habe es genossen, wie ein Anführer behandelt zu werden."
Den richtigen Zeitpunkt, um zuzugeben, dass er über einen grottenschlechten Orientierungssinn verfügt und bislang bei Reisen in den Süden stets ganz hinten flog, hat er inzwischen verpasst. "Das wäre vor ein paar hundert Kilometern vielleicht noch okay gewesen. Aber jetzt ist es definitiv zu spät", so der Grauganter. "Jetzt muss ich durchziehen und einfach hoffen."
Er kneift die Augen zusammen und blickt in die Ferne. "Fuck! Sind das da vorne Fjorde?!?!"
ssi; Foto: Imago; Erstveröffentlichung: 1.11.22