Köln (dpo) - "Ich frage für einen Freund" – nahezu jeder hat diese Worte schon einmal gehört oder gelesen, doch bislang wussten nur die wenigsten, dass es sich bei diesem "Freund" immer um ein und dieselbe Person handelt. Der Postillon hat recherchiert und mit Simon Becker (34) den Mann ausfindig gemacht, für den immer alle fragen.
"Ja, ich bin der, der diese ganzen Sachen wissen wollte", gibt Simon Becker verschämt zu, als wir ihn an seiner Haustür mit unseren Recherchen konfrontieren. "Mein ganzes Leben lang musste ich aus Scham über meine Unwissenheit immer andere damit beauftragen, für mich private Fragen zu stellen."
Anfangs waren es meist gesundheitliche Themen, die Becker umtrieben. "Meine erste Frage vor über 15 Jahren drehte sich um ein Hausmittel gegen Pickel am Hintern", berichtet er. "Da hat dann meine nette Freundin Susanne für mich bei ihrem Hausarzt angerufen und da dürfte dann auch zum ersten Mal diese ikonische Aussage gefallen sein: 'Ich frage für einen Freund.'"
In den Jahren danach fand Becker glücklicherweise immer wieder Menschen, die seine brennenden Fragen aus Mitmenschlichkeit weitergaben und ihm die Antworten zutrugen. Insgesamt stellte er seit 2005 indirekt mehr als 687.000 Fragen, unter anderem zu Mundgeruch, Fußpilz, Analjucken, der Abseitsregel, der Straßenverkehrsordnung, Punkt- und Strichrechnung, Verhütung, Steuerhinterziehung, Tokio-Hotel-Tattoos in der Leistengegend, Parteienfinanzierung, Bierherstellung, Cryptobörsen, hethitische Bronzeplastiken, dem Nordpolarmeer, androgenetischem Haarausfall und der anatomischen Lage der Klitoris.
"Mit der Zeit wurde ich immer wissbegieriger, wollte einfach alles wissen", erzählt Becker. "Ich versuchte, immer mehr Freunde zu finden, die Fragen für mich stellen. Ich hab inzwischen total den Überblick verloren. Allein auf Facebook hab ich über 17.000 Freunde."
Gibt man auf Twitter den Suchbegriff "Frage für einen Freund" ein, sieht man, wie viele Fragen rund um die Uhr für Simon Becker gestellt werden:
Es könnte allerdings sein, dass die Schwemme an Fragen für Freund Simon Becker bald nachlassen wird. "Ich hab neulich einen Freund für mich fragen lassen, ob man eigentlich auch Sachen rausfinden kann, ohne einen Freund in sozialen Netzwerken eine Frage stellen zu lassen", erzählt der 32-Jährige. "Und da kamen echt interessante Antworten. Unter anderem wurde mir ein Dienst namens 'Google' empfohlen. Da bekommt man wohl weiterführende Ergebnisse und kann dann selbst Dinge recherchieren. Klingt crazy. Aber das will ich demnächst mal probieren."
Vorher will er aber noch einen Freund alle seine Freunde fragen lassen, ob sie beleidigt sind, wenn er künftig seltener über sie fragen lässt.
ssi, dan; Foto: Shutterstock; Erstveröffentlichung: 22.6.22