Bonn (dpo) - Elf Menschen sind am Mittwoch beim Klassik-Open-Air-Festival "Rheinklänge" in der Nähe von Bonn verletzt worden, als die Situation im Moshpit vor der Hauptbühne eskalierte. Gegen die Veranstalter werden schwere Vorwürfe erhoben.
Zu dem Unglück kam es im vierten Satz von Ludwig van Beethovens siebter Sinfonie, als mehrere Menschen im Gedränge zu Fall kamen und eine Massenpanik entstand. Dirigent und Orchester brachen die Aufführung schließlich ab und konnten so Schlimmeres verhindern.
Augenzeugen zufolge sei die Stimmung vorher noch gut gewesen. Immer wieder hätten sich Klassikfans beim Crowdsurfing von der Bühne nach hinten tragen lassen. Andere spielten Luftgeige oder Lufttriangel und schüttelten dabei ihr Haar. Viele tanzten ausgelassen.
"Klar, bei einigen härteren Stücken von Schostakowitsch, Pettersson, Bartok oder Revueltas wurde im Moshpit schon recht heftig gepogt, aber das ist ja eigentlich normal auf solchen Festivals", erinnert sich Anna Kessler (21), die selbst mit ein paar blauen Flecken davongekommen ist. "Mir fiel nur auf, dass es schon irgendwie recht voll und eng war. Es lag so ne Spannung in der Luft, sag ich mal."
Doch als das Finale von Beethovens siebter Sinfonie erklang, rastete das Publikum aus, so Augenzeugen. "Ich glaube, viele waren schon von vornherein nur wegen dem guten alten Ludwig van B. da. Der ist einfach einer der Bekanntesten im Lineup. Da sind dann alle nach vorne an der Bühne und wollten da wohl so richtig eskalieren."
Dass die Situation entgleitet, merkte auch Fagottist Dennis Nieman, der von der Bühne aus machtlos zusehen musste: "Ich sah da ein paar im Moshpit ziemlich brutal um sich schlagen und gleichzeitig wurde von hinten geschoben und dann sah ich, wie ein Typ vorne ans Gitter gedrückt wurde und gar nicht mehr glücklich dreinschaute. Die Securitys hatten alle Hände voll zu tun und zogen Leute raus, aber das waren einfach zu viele."
Schließlich brach der Dirigent die Aufführung ab. "Gott sei Dank, nur Minuten später wäre die Musik in der Schlusscoda noch krasser geworden. Ich sag nur fortefortissimo. Wer weiß, wie sie da alle ausgerastet wären", so Nieman. "Das hätte Tote geben können."
Insgesamt elf Menschen trugen Verletzungen davon. Vier mussten stationär behandelt werden. Eine Person liegt im Krankenhaus, ihr Zustand ist aber stabil.
Experten warnen schon lange vor den Gefahren klassischer Konzerte. "Die Orchester peitschen die Menge mit immer gewagteren Phrasierungen und immer rasanteren Tempi auf", erklärt etwa Susanne Stöppler vom Verein "SOS Klassik". "Gepaart mit dem bekanntermaßen hohen Alkohol- und Drogenkonsum unter Klassik-Fans ergibt das eine hochgefährliche Mischung."
Dem Veranstalter Musikfreunde Bonn e.V. drohen nun Ermittlungen wegen möglicher Verstöße gegen Sicherheitsauflagen.
ssi, dan, Foto: © Flickr | Ralph Arvesen | CC BY 2.0; Erstveröffentlichung: 26.5.22