Hamburg (Archiv) - Nach mehreren Hinweisen aus der Bevölkerung hat die Polizei heute im Hamburger Hafen einen 73-jährigen Mann festgenommen. Er steht im dringenden Verdacht, auf seinem Schiff zahlreiche Kinder als illegale Arbeitskräfte in der industriellen Fischstäbchenfischerei und -herstellung beschäftigt zu haben. Im Falle einer Anklage droht ihm eine mehrjährige Haftstrafe.
Insgesamt 58 Kinder beschäftigte der Mann, der sich selbst den Beamten als "Käpt'n Iglo" vorstellte, auf seinem 40 Meter langen Fangschiff. Dort mussten sie nicht nur sämtliche Aufgaben an Deck übernehmen, sondern auch im großen Stil Seelachs fangen und unter Deck zu Tiefkühlfischstäbchen verarbeiten. Werbevideos zufolge soll der Mann dieses ausbeuterische System bereits seit den achtziger Jahren betrieben haben:
Entlohnt wurden die Kinder für ihre Schwerstarbeit lediglich in Form von Fischstäbchen, die ihnen dreimal täglich serviert wurden. Viele der Kinder hatten wegen der einseitigen Ernährung bereits Anzeichen von Skorbut.
Zudem mussten sie regelmäßig unentgeltlich in Imagefilmen für "Käpt'n Iglo" mitwirken, in denen ein übertrieben idyllisches Leben an Bord dargestellt wurde. Besonders zynisch: Obwohl sie selbst den Großteil der Arbeit verrichteten, mussten die Minderjährigen in diesen Videos Texte singen wie: "Käpt'n Iglo! Er kommt von weither übers Meer und bringt uns unseren Fisch hierher."
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hamburg findet klare Worte: "Diese Filme müssen Millionen gesehen haben. Warum ist so lange niemand auf die Idee gekommen, diesen Mann anzuzeigen? Da muss man doch stutzig werden, wenn jemand eine Crew aus Kindern beschäftigt!"
Noch sind die Behörden dabei, das gesamte Ausmaß der Straftaten von Walter Birdseye, wie "Käpt'n Iglo" mit bürgerlichem Namen heißt, zu ermitteln. Als sicher gilt jedoch bereits, dass er über kein Kapitänspatent verfügt und somit überhaupt nicht zum Führen eines Schiffes berechtigt war.
Die geretteten Kinder befinden sich derzeit in der Obhut des Jugendamts – dort versucht man nun mit Hochdruck, die jeweiligen Eltern ausfindig zu machen. Was mit den etwa 500.000 Fischstäbchen an Bord passieren soll, ist noch unklar.
jki, ssi, dan; Foto: Hersteller; Erstveröffentlichung: 24.1.22