Anlässlich des 35. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl präsentieren wir eine Archivmeldung aus dem Postillon (bzw. Westillon) vom 4. Mai 1986.
Bonn (dpo) - Acht Tage nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl sind heute insgesamt 150 Demonstranten in der Bundeshauptstadt auf die Straße gegangen, um gegen die aus ihrer Sicht völlig überzogene Panik vor nuklearer Verstrahlung zu protestieren. Sie forderten lautstark, alle Strahlenschutzmaßnahmen sofort aufzuheben.
"Lasst unsere Kinder wieder im Sand spielen! Radioaktivität ist auch nicht schlimmer als eine Grippe!", skandiert etwa Hermann Kölle (28) aus Düsseldorf. Er ist überzeugt, dass die Strahlenschutzmaßnahmen nur ein Vorwand sind, um das Grundgesetz der BRD abzuschaffen. "Nieder mit der Kohl-Diktatur! Nieder mit der Kohl-Diktatur!"
Andere wie Helga Röhmbach leugnen die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl komplett: "Wer weiß, ob das überhaupt stimmt, dass da ein Atomkraftwerk explodiert ist! Ich kenne niemanden, der dabei war und das bestätigen kann", beschwert sie sich. Mainstream-Medien wie Zeitungen, Teletext und Rundfunk misstraut die 27-Jährige, informiert sich lieber in alternativen Medien. "Ich habe auf einer Klowand gelesen, dass wenn man weniger Geigerzähler einsetzen würde, auch viel seltener überhöhte Strahlung gemessen werden würde. Wir müssen lernen, mit Strahlungswerten von mehreren tausend Becquerel zu leben."
Günter Semmelring aus Mainz wiederum vermutet US-Unternehmer Bill Gates (31) hinter der Reaktorkatastrophe: "Die wollen doch nur, dass jetzt alle drinnen bleiben und diese neumodische MS-DOS-Erweiterung Windows auf ihrem Heimcomputer nutzen!"
Andere Demonstranten behaupten, dass Jodtabletten, die mancherorts gegen radioaktive Strahlung verteilt werden, Mikro-Disketten enthielten, mit denen die geheime Weltregierung die Kontrolle über den Körper übernehmen könne.
Zum Ende des Protestmarsches verspeisten die Demonstranten demonstrativ radioaktiv verstrahlte Pilze und rieben sich mit Walderde ein.
Am nächsten Wochenende wollen sie wieder demonstrieren – dann sollen es mehr als 1,3 Millionen sein, die gegen die "Kohl-Diktatur" mitmarschieren.
ssi, dan; Inspiriert von: @DrWaumiau