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Deshalb kann er in so vielen Talkshows zugleich sein: Karl Lauterbach in Wirklichkeit einer von drei Drillingen

Berlin (dpo) - Anne Will, Markus Lanz, Hart aber Fair – egal, welche Talkshow man in den letzten Monaten einschaltete, er war fast immer dabei: Karl Lauterbach. Der SPD-Politiker ist wie kein anderer das Gesicht seiner Partei, wenn es um Corona geht. Doch wie schafft es der 57-Jährige überhaupt, neben seinem Mandat praktisch überall gleichzeitig aufzutauchen? Eine sechsmonatige Postillon-Recherche enthüllt Unglaubliches.

Alles beginnt am 12. Mai 2020 von 21 Uhr bis 22 Uhr mit einem Live-Auftritt Lauterbachs in der Sendung "Menschen bei Maischberger" zum Thema "Corona – Was wird jetzt aus unserem Sommerurlaub?", wo er routiniert den disziplinierten Mahner gibt. Eine Stunde später: wieder Lauterbach - diesmal jedoch bei Anne Will zum Thema "Sommerurlaub – Ist er gefährdet durch Corona?". Was den meisten Zuschauern an diesem Abend entgeht: Die Anne-Will-Sendung wurde zwischen 21 und 22 Uhr aufgezeichnet – exakt zur selben Zeit, in der Lauterbach bei Maischberger saß.

Wie ist das möglich? Gibt es zwei Karl Lauterbachs? Handelt es sich um einen Fehler in der Matrix? Das Postillon-Investigativ-Team nimmt eine Prise Journalisten-Pulver und macht sich an den Fall.

Es beginnt eine ausführliche Recherche in Lauterbachs Talkshow-Historie. Und die fördert weitere Ungereimtheiten zutage: Tatsächlich saß der SPD-Politiker bereits am 12. Februar 2014 sowie am 7. Juni 2017 ebenfalls unbemerkt in zwei Talkshow-Aufzeichnungen gleichzeitig. Und der zweite Termin ist sogar noch brisanter: Denn zur selben Zeit, als Lauterbach bei Markus Lanz über Engpässe in der Pflege debattierte und bei Plasberg das Thema "Anzug mit Fliege – Hot oder No-Go?" abhandelte, stand der 57-Jährige zusätzlich auch den Tagesthemen im Interview Rede und Antwort.

Das Postillon-Recherche-Team ist verwirrt. Aber auch angespornt. Wir setzen uns in den Redaktionsporsche, fahren in Lauterbachs Heimatstadt Düren, fragen dort willkürlich Menschen auf der Straße. Die meisten winken ab, doch eine freundliche alte Dame verhilft unserer Recherche schließlich zum Durchbruch. "Ja, natürlich erinnere ich mich an die Lauterbach-Drillinge!" Sie stellt sich als Trude K. vor, eine alte Freundin der Familie. "Ich hab sogar zu Hause noch ein Foto von Karl, Kurt und Kuno. Das war kurz nach ihrer Geburt."

Ein weiteres Bild zeigt Karl, Kurt und Kuno im Jahr 1968 auf dem Rücksitz des elterlichen Autos.

Drillinge? Jetzt fällt es uns wie Schuppen von den Augen! Es gibt nicht nur einen Karl Lauterbach. Es gibt drei. Beziehungsweise einen echten Karl sowie seine eineiigen Drillingsbrüder Kurt und Kuno Lauterbach.

Wir sprechen weiter mit Trude K. und erfahren, dass tatsächlich Karl derjenige war, der 2001 in die SPD eintrat und begann, sich auf seine politische Karriere zu konzentrieren. Zunächst blieb er dabei jedoch erfolglos.

Wie Postillon-Recherchen ergeben, änderte sich dies jedoch 2004, als seine beiden Brüder, der Landvermesser Kuno Lauterbach sowie der Privatdozent Kurt Lauterbach beinahe gleichzeitig arbeitslos wurden. In diesem Jahr muss es gewesen sein, dass das Trio beschloss, alles auf eine Karte zu setzen, und erstmals abwechselnd als Karl Lauterbach auftrat.

Es folgte ein beispielloser Aufstieg. 2005 wurde "Karl" Lauterbach per Direktmandat im Wahlkreis Leverkusen – Köln IV in den Bundestag gewählt und seitdem bis heute bei jeder Wahl bestätigt. Wähler vor Ort lobten besonders, dass Lauterbach im Wahlkampf eine schier unglaubliche Anzahl von Hausbesuchen absolvierte. Seine Kontrahenten schafften maximal ein Drittel von Lauterbachs Pensum.

Zwischen 2005 und heute absolvierte Lauterbach bzw. absolvierten die Lauterbach-Drillinge unzählige Talkshow-Auftritte. Seine Bekanntheit wuchs und wuchs. Karl Lauterbach wurde zum Sprecher der Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion (2009-2013), dann zum stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion (2013-2019) und ist heute eines der bekanntesten Gesichter der SPD.

Wir konfrontieren schließlich einen ranghohen Partei-Insider mit unserer Recherche. Nachdem wir versprechen, seinen Namen aus unserer Recherche herauszuhalten, räumt Hubertus Heil die ganze Scharade ein.

Er gibt uns sogar jenes Foto aus dem Jahr 2019, das alle drei Lauterbachs zeigt und nun diese Recherche ziert.

"Ja, in der Parteispitze wissen die meisten Bescheid, halten aber dicht", berichtet Heil freimütig unter dem Zugeständnis der Anonymität. "Schließlich gibt es ja auch andere Politiker wie etwa die Esken-Zwillinge oder die 14 Alter Egos von Olaf Scholz, die nicht wollen, dass zu viele Fragen gestellt werden."

Von den Lauterbach-Drillingen gilt Kuno als der schwierigste Charakter. Wann immer man einen offensiven Lauterbach in einer Talkshow sieht, dann handelt es sich um ihn. "Man kann es außerdem an einem winzigen Muttermal erkennen, das Kuno über dem linken Auge hat. Da muss man aber schon reinzoomen und oft ist es auch weggeschminkt", so Heil.

Kuno

Kurt wiederum sei der frechste der drei Brüder. "Er macht auch mal ein Witzchen und redet deutlich schneller als Karl und Kuno. Fast schon halb so schnell wie ein Durchschnittsmensch."

Kurt

Kurt war es auch, der im März 2020 als einziger der drei an Corona erkrankte und beinahe verstarb. Zu dieser Zeit war Lauterbach nur noch in zwei Dritteln aller Talkshows zu sehen. Kurz danach avancierten die Lauterbach-Drillinge mit einer beispiellosen Talkshow-Offensive zu Deutschlands schärfsten Corona-Mahnern.

Die drei Brüder gelten als sparsam und bescheiden. Immerhin müssen sie seit Jahren zu dritt von einem Abgeordnetengehalt leben. Es ist der Preis für ihre Lebenslüge.

Als wir Karl Lauterbach mit den Ergebnissen dieser Recherche konfrontieren, streitet er telefonisch alles ab. Im Hintergrund sind aufgebrachte Stimmen zu hören, die identisch klingen. Wenig später erhält die Redaktion Post von einem auf Medienrecht spezialisierten Anwalt. Dort ist verdächtigerweise von "meinen Mandanten" die Rede. Unseren Leserinnen und Lesern können wir versprechen: Das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. Der Postillon bleibt weiter an dieser Geschichte dran.

tkr, ssi, dan; Foto Heil: Shutterstock, Foto Kurt: © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0, Foto Kuno: Superbass, CC BY-SA 4.0
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