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Bild-Chef Reichelt: "Wenn mein 2-jähriges Kind in ein 100-Meter-Loch fällt und wahrscheinlich tot ist, hätte ich auch gern, dass die gesamte Welt live daran teilnimmt"

Berlin (dpo) - Klartext vom Chef der "Bild"-Zeitung! Julian Reichelt erklärte heute gegenüber dem Postillon, dass er - sollte sein 2-jähriges Kind jemals in einen 100 Meter tiefen Brunnen stürzen - für sich persönlich exakt dieselbe Berichterstattung wünscht, wie sie sein Blatt derzeit im Fall des 2-jährigen Julen durchführt.

"Als Chefredakteur einer großen Zeitung denke ich natürlich viel darüber nach, wie wir über solche Tragödien berichten sollen", so Reichelt. "Aber ich komme immer wieder zu dem Schluss: am besten möglichst reißerisch, intensiv und ohne falsche Rücksicht auf die Gefühle der Angehörigen. Wenn auf der Autobahn ein Unfall passiert, dann will man ja auch extra langsam dran vorbeifahren und alles sehen."
Denn genau dasselbe würde sich Reichelt auch wünschen, sollte er selbst einmal in eine ähnliche Situation geraten. "Ich würde da mindestens 50 Mikrofone im Gesicht haben wollen und dutzende Kameras, die jede Träne einfangen. Die ganze Welt soll sehen, wie ich empfinde, während mein Kind stirbt."
Eine von vielen sachlichen "Bild"-Meldungen zum Thema
Aus diesem Grund veröffentlichte Reichelts Blatt in den 9 Tagen, seit das Kind in den Schacht stürzte, nicht nur eine kurze Meldung, in der nüchtern die Ereignisse geschildert werden, sondern berichtete minutiös in mindestens 17 Online-Artikeln und Videos mit Titeln wie "Schacht nur 25 Zentimeter breit – Junge (2) stürzt 110 Meter tief in Brunnen" (15.1.), "Junge in Schacht gestürzt – Gibt es noch Hoffnung für den kleinen Julen (2)?" (15.1.), "Junge im Brunnen vermisst –„Nur Eltern können das verstehen“" (16.1.), "Suche nach Julen (2) – Das furchtbare Warten auf ein Wunder" (16.1.), "Mit Baggern und Bohrern – So wollen sie den kleinen Julen retten" (17.1.), "Sturz in 110 Meter tiefes Loch – Julen (2) und das Prinzip Hoffnung" (17.1.), "Beklemmende Kamera-Aufnahmen – Hier stürzte der kleine Julen (2) hinein" (17.1.), "Helfer wollen zum Brunnenloch – Neuer Rettungsplan für den kleinen Julen!" (17.1.), "Kleiner Julen verschüttet – Vor der Haustür steht noch das Dreirad" (18.1.), "Julen (2) in Brunnenschacht – Nur noch wenige Stunden, bis es regnen soll" (18.1.), "Junge in Loch gestürzt – Dieser Bohrer ist Julens (2) letzte Hoffnung" (19.1.), "Kampf um Jungen (2) in Schacht – Bohrer kommt drei Meter pro Stunde voran" (19.1.), "In 110-Meter-Schacht gefallen – Retter müssen sich per Hand zu Julen (2) graben" (20.1.), "In Bohrschacht gefallen – Retter stoßen auf 5 Meter Granit!" (20.1.), "Julen (2) in Bohrschacht gefallen – Jetzt beginnt die kritische Phase" (21.1.), "Junge (2) fiel in Bohrschacht – Retter wollen heute Mittag zu Julen vordringen" (22.1.) oder "Feuerwehr-Chef über Rettungsmission „Ich gehe erst wieder heim, wenn wir Julen haben“" (22.1.).
Reichelt, der mehrere der Meldungen hinter einer Bezahlschranke stehen lässt, um noch ein paar Abonnenten zu werben, wäre also zufrieden, gäbe es da nicht einen kleinen Wermutstropfen: "Die Kollegen von RTL berichten ähnlich intensiv darüber. Allerdings nennen sie das Kind 'Schachtjunge Julen'. Es ärgert mich schon ein bisschen, dass wir da nicht draufgekommen sind."
ssi, dan; Foto oben: dpa
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