Es kommentiert Edgar Bebeling (CDU), Mitglied der Enquete-Kommission "Zweiräder im Straßenverkehr":
Die aktuellen Diskussionen über Radwege, Verkehrspolitik und Mobilität verfügen über alle Elemente, um - endlich? - den lang erwarteten und von einigen vielleicht ersehnten "Clash of Cyclists" zu provozieren. Es ist der Kampf zwischen der schönen neuen Flachfahrradwelt und dem realen Leben. Während die "Flachfahrradfahrer" den realen Hochradfahrer zum Dinosaurier erklären, vergessen sie dabei, dass es sich bei dieser Lebensform um die große Mehrheit der Menschen handelt. Auf Mehrheitsverhältnisse haben Revolutionen indessen nie wirklich Rücksicht genommen.
Die Schlachtordnung der letzten Tage erweckt den Eindruck, wir seien im dritten Teil von "Der Herr der Zweiräder" angekommen, und der Endkampf um die Radwege stehe bevor. Das ist die Gelegenheit, schon jetzt einen vorgezogenen Nachruf auf die Radfahrer, die Kämpfer für gleich große Vorder- und Hinterräder zu formulieren. Denn, liebe "Fahrradfahrer": Ihr werdet den Kampf verlieren. Und das ist nicht die Offenbarung eines einsamen Apokalyptikers, es ist die Perspektive eines geschichtsbewussten Hochradfahrers. Auch die Zweirad-Revolution wird ihre Kinder entlassen. Und das flache Fahrrad wird bald Geschichte sein. Es stellt sich nur die Frage, wie viel Fußgängerblut bis dahin vergossen wird.
Denn es ist Aufmerksamkeit geboten. Auch wenn das flache Fahrrad als imaginäres Lebensgefühl einer verlorenen Generation schon bald Geschichte sein mag, so hat es allemal das Zeug zum Destruktiven. Wenn wir nicht wollen, dass sich nach dem Abzug der Radfahrerhorden und des Schlachtennebels nur noch die ruinenhaften Stümpfe unserer Gesellschaft in die Sonne recken und wir auf der holprigen, verbrannten Erde unserer Kultur mit unseren Hochrädern fahren müssen, dann heißt es, jetzt wachsam zu sein. Also, Großbürger, auf zur Wacht! Es lohnt sich, unser Recht auf das Hochradfahren auch im Straßenverkehr zu verteidigen!
Die Gesellschaft der Hochradfahrer mit ihren Zylindern, Monokeln und Fräcken hat sich in mühevoller Arbeit aus den Barrikaden der Französischen Revolution heraus geformt – so entstand der Velozipedist. Und genau dort, in den Gassen von Paris im Jahr 1789, wurde die Idee des Hochradfahrens geboren. Welche Errungenschaft wider das Zufußgehen und Reiten des Ancien Régime! Endlich konnte man - abhängig von Herkunft und Status - mit seinem teuren Hochrad stolz und erhobenen Hauptes durch die Gegend radeln. Diese Idee des Hochrades sollte sich als pedalbetriebener Motor für Innovation und Entwicklung auf dem europäischen Kontinent erweisen. Eine Fortbewegungsart, deren Bewahrung auch im Zeitalter des flachen Fahrrades lohnt.
Sie ist im modernen Straßenverkehr in Gefahr. Nicht weil flache Fahrräder aus sich heraus wie kleine Drahtesel an den Ideen und Idealen unserer großbürgerlichen Gesellschaft knabbern würden. Nein, es sind die Menschen, die auf diesen widerlich niedrigen Fahrrädern in gebückter Haltung sitzen und eine andere Mobilität wollen. Die die totale Freiheit der Fahrzeugwahl apostrophieren und damit letztlich nur den "velozipedalen Totalitarismus", wie es Jaron Lavier genannt hat, meinen. Es ist eine unheilige Allianz aus diesen "radelnden Maoisten" und kapitalstarken Velozipedisten, die hier am Werk ist. Auch wenn sie sagen, sie seien die Guten - nur weil man sagt, man sei gut, ist man es noch lange nicht.
Nun haben die Fahrradhersteller in den letzten Tagen ihren starken Arm gezeigt. Doch Herculesse und Gazellen dieser Welt, lasst euch zurufen: Auch wenn Hercules für einen Tag keine Fahrräder produziert und Gazelle-Fahrräder ohne Lenkstange gefahren werden, ist das nicht das Ende der Mobilität der Menschheit. Welche Hybris! Lasst euch gesagt sein: Die Mobilität und vor allem die aufrechte Haltung der Welt liegen immer noch in den Waden der Menschen. Also, Großbürger, geht auf die Barrikaden und radelt. Am besten auf einem Hochrad aus dem 19. Jahrhundert!
Natürlich verändert die fortschreitende Umrüstung auf flache Fahrräder unsere Gesellschaft. Vieles wird einfacher. Auch dieser Text ist mit Hilfe der Errungenschaften der Velozipedisierung durch einen Fahrradkurier an die Postillon-Redaktion geschickt worden. Aber wir sollten uns zu wehren beginnen, wenn einzelne Menschen auf den vielen Fahrrädern uns unsere Lebensentwürfe vorschreiben. Noch ist es dazu nicht zu spät.
Wir dürfen die Gestaltung der Zukunft nicht denen überlassen, die sich als radfahrende Avantgarde verstehen und meinen, sie wüssten, was das Beste für die Masse Mensch auf den Zweirädern sei. Mountain-Biker und BMXler sind jedenfalls dabei der schlechteste Ratgeber. Sie achten den Straßenverlauf des anderen nicht, setzen ihre hervorragenden aerodynamischen Eigenschaften nur für den eigenen Vorteil ein, sind darauf bedacht, im Gelände und in Halfpipes zu tricksen, was das Zeug hält. Und offensichtlich sind Narzissmus und Flachfahrradzismus Zwillinge. Natürlich soll niemandem verboten werden, auf einem Bonanzarad seine zweite Pubertät zu durchleben. Nur sollte man das nicht zum politischen Programm erheben. Jetzt haben wir noch die Zeit, diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Wir brauchen den Hochradfahrer, dem Werte wie fehlende Gangschaltung, schlechte Lenkbarkeit und tiefe, schmerzhafte Stürze auch im Straßenverkehr am Herzen liegen.
ssi
Die aktuellen Diskussionen über Radwege, Verkehrspolitik und Mobilität verfügen über alle Elemente, um - endlich? - den lang erwarteten und von einigen vielleicht ersehnten "Clash of Cyclists" zu provozieren. Es ist der Kampf zwischen der schönen neuen Flachfahrradwelt und dem realen Leben. Während die "Flachfahrradfahrer" den realen Hochradfahrer zum Dinosaurier erklären, vergessen sie dabei, dass es sich bei dieser Lebensform um die große Mehrheit der Menschen handelt. Auf Mehrheitsverhältnisse haben Revolutionen indessen nie wirklich Rücksicht genommen.
Die Schlachtordnung der letzten Tage erweckt den Eindruck, wir seien im dritten Teil von "Der Herr der Zweiräder" angekommen, und der Endkampf um die Radwege stehe bevor. Das ist die Gelegenheit, schon jetzt einen vorgezogenen Nachruf auf die Radfahrer, die Kämpfer für gleich große Vorder- und Hinterräder zu formulieren. Denn, liebe "Fahrradfahrer": Ihr werdet den Kampf verlieren. Und das ist nicht die Offenbarung eines einsamen Apokalyptikers, es ist die Perspektive eines geschichtsbewussten Hochradfahrers. Auch die Zweirad-Revolution wird ihre Kinder entlassen. Und das flache Fahrrad wird bald Geschichte sein. Es stellt sich nur die Frage, wie viel Fußgängerblut bis dahin vergossen wird.
Versteht die Welt nicht mehr: Bebeling auf seinem Hochrad |
Die Gesellschaft der Hochradfahrer mit ihren Zylindern, Monokeln und Fräcken hat sich in mühevoller Arbeit aus den Barrikaden der Französischen Revolution heraus geformt – so entstand der Velozipedist. Und genau dort, in den Gassen von Paris im Jahr 1789, wurde die Idee des Hochradfahrens geboren. Welche Errungenschaft wider das Zufußgehen und Reiten des Ancien Régime! Endlich konnte man - abhängig von Herkunft und Status - mit seinem teuren Hochrad stolz und erhobenen Hauptes durch die Gegend radeln. Diese Idee des Hochrades sollte sich als pedalbetriebener Motor für Innovation und Entwicklung auf dem europäischen Kontinent erweisen. Eine Fortbewegungsart, deren Bewahrung auch im Zeitalter des flachen Fahrrades lohnt.
Sie ist im modernen Straßenverkehr in Gefahr. Nicht weil flache Fahrräder aus sich heraus wie kleine Drahtesel an den Ideen und Idealen unserer großbürgerlichen Gesellschaft knabbern würden. Nein, es sind die Menschen, die auf diesen widerlich niedrigen Fahrrädern in gebückter Haltung sitzen und eine andere Mobilität wollen. Die die totale Freiheit der Fahrzeugwahl apostrophieren und damit letztlich nur den "velozipedalen Totalitarismus", wie es Jaron Lavier genannt hat, meinen. Es ist eine unheilige Allianz aus diesen "radelnden Maoisten" und kapitalstarken Velozipedisten, die hier am Werk ist. Auch wenn sie sagen, sie seien die Guten - nur weil man sagt, man sei gut, ist man es noch lange nicht.
Nun haben die Fahrradhersteller in den letzten Tagen ihren starken Arm gezeigt. Doch Herculesse und Gazellen dieser Welt, lasst euch zurufen: Auch wenn Hercules für einen Tag keine Fahrräder produziert und Gazelle-Fahrräder ohne Lenkstange gefahren werden, ist das nicht das Ende der Mobilität der Menschheit. Welche Hybris! Lasst euch gesagt sein: Die Mobilität und vor allem die aufrechte Haltung der Welt liegen immer noch in den Waden der Menschen. Also, Großbürger, geht auf die Barrikaden und radelt. Am besten auf einem Hochrad aus dem 19. Jahrhundert!
Natürlich verändert die fortschreitende Umrüstung auf flache Fahrräder unsere Gesellschaft. Vieles wird einfacher. Auch dieser Text ist mit Hilfe der Errungenschaften der Velozipedisierung durch einen Fahrradkurier an die Postillon-Redaktion geschickt worden. Aber wir sollten uns zu wehren beginnen, wenn einzelne Menschen auf den vielen Fahrrädern uns unsere Lebensentwürfe vorschreiben. Noch ist es dazu nicht zu spät.
Wir dürfen die Gestaltung der Zukunft nicht denen überlassen, die sich als radfahrende Avantgarde verstehen und meinen, sie wüssten, was das Beste für die Masse Mensch auf den Zweirädern sei. Mountain-Biker und BMXler sind jedenfalls dabei der schlechteste Ratgeber. Sie achten den Straßenverlauf des anderen nicht, setzen ihre hervorragenden aerodynamischen Eigenschaften nur für den eigenen Vorteil ein, sind darauf bedacht, im Gelände und in Halfpipes zu tricksen, was das Zeug hält. Und offensichtlich sind Narzissmus und Flachfahrradzismus Zwillinge. Natürlich soll niemandem verboten werden, auf einem Bonanzarad seine zweite Pubertät zu durchleben. Nur sollte man das nicht zum politischen Programm erheben. Jetzt haben wir noch die Zeit, diesem Treiben Einhalt zu gebieten. Wir brauchen den Hochradfahrer, dem Werte wie fehlende Gangschaltung, schlechte Lenkbarkeit und tiefe, schmerzhafte Stürze auch im Straßenverkehr am Herzen liegen.
ssi